Ostmitteleuropa-Forschung im Fokus: Rückblicke – Ausblicke – Umbrüche
Im Frühjahr 1950 wurden der Johann-Gottfried-Herder-Forschungsrat und das gleichnamige Institut in Marburg gegründet. Anfangs verstanden sich die beiden Einrichtungen als Fortsetzung der Nord- und Ostdeutschen Forschungsgemeinschaft und der Publikationsstelle im Preußischen Geheimen Staatsarchiv, die die „Deutsche Ostforschung“ in der Zeit des Nationalsozialismus prägten. Der zunächst dominante Kontinuitätsanspruch geriet jedoch rasch in Widerspruch zu den unübersehbaren Veränderungen in den bundesdeutschen Ostmitteleuropawissenschaften. Insofern geht die Tagung auch der Frage nach, welche Umbrüche Herder-Institut und Herder-Forschungsrat in den 75 Jahren ihres Bestehens erfuhren, wie sie sich mit der eigenen Vergangenheit auseinandersetzten und Wege zu Neuorientierungen und Innovationen fanden.
Die Tagung aus Anlass des 75-jährigen Bestehens von Herder-Institut und Herder-Forschungsrat wird zunächst einen traditionskritischen Rückblick unternehmen. In den folgenden Panels sollen dann die Außenwirkung und die Außensicht der westdeutschen Ostmitteleuropaforschung in der Zeitspanne des Kalten Krieges und darüber hinaus beleuchtet werden. Zudem wird auch nach der Relevanz der Beschäftigung mit Ostmitteleuropa in einer globalen Perspektive gefragt werden. Abrunden wird die Tagung ein Roundtable zu Perspektiven und zukünftigen Schwerpunkten der Ostmitteleuropaforschung angesichts der gegenwärtigen Disruptionen.
Johann Gottfried Herder-Forschungsrat
Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung
Marburg
04.06.2025-06.06.2025
Programm
Ort: Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung, Gisonenweg 5-7, 35037 Marburg
Mittwoch, 4. Juni 2025
11:30
Begrüßung und Einführung
12:00-13:30
Panel I: Der Blick nach innen
Moderation: Eckart Conze (Marburg)
Eine „Schar der Ungebrochenen“? – Rekonstruktion und Kritik der Ostforschung in der frühen Bundesrepublik
Jörg Hackmann (Stettin)
Ostmitteleuropaforschung als Resonanzraum politischen Wandels? Das Herder-Institut Mitte der 1960er bis Ende der 1980er Jahre
Heidi Hein-Kircher (Bochum/Herne):
Zwischen zwei Zeitenwenden – die Ostmitteleuropaforschung in Deutschland zwischen 1990 und 2021
Peter Haslinger (Marburg/Gießen)
14:30-16:00 Panel II: Die innerdeutsche Situation
Moderation: Dagmara Jajeśniak-Quast (Frankfurt/Oder)
Wie aus Außenseitern Translatoren wurden. Epistemologische Überlegungen zum Übergang von Ostforschung in Ostmitteleuropaforschung in der Bonner Republik
Markus Krzoska (Marburg)
Vom „slawischen Anteil“ an der „Ethnogenese des deutschen Volkes“. Ur- und Frühgeschichtsforschung in der DDR und ihr Verhältnis zur ‚Ostforschung‘
Anne Kluger (Halle)
Untertanen oder Ritter? Die historische Verfassungsstruktur des Deutschen Ordens und ihre Instrumentalisierung in der frühen Bundesrepublik
Ulrike Müßig (Passau)
16:30-18:00 Panel III: Disziplinäre Perspektiven
Moderation: Ira Spieker (Dresden)
Bruno Schiers „Volkskunde“ als deutscher Beitrag zum rassistischen Evolutionismus des 20. Jahrhunderts
Elisabeth Timm (Münster)
Von der ‚Ostforschung‘ zum ‚gemeinsamen Kulturerbe‘. Forschung und Lehre zur Kunstgeschichte des östlichen Europa
Aleksandra Lipińska (Köln) und Beate Störtkuhl (Oldenburg)
Schicksal der Peripherie. Die ostmitteleuropäischen Literaturen zwischen imperialer Zumutung, nationaler Selbstbehauptung und regionaler Identifikation
Steffen Höhne (Weimar)
19:00
Mitgliederversammlung des Herder-Forschungsrats
Donnerstag, 5. Juni 2025
9:00-10:30 Panel IV: Außensicht
Moderation: Hans-Jürgen Bömelburg (Gießen)
Reinhard Wittram und die Organisation der baltischen Geschichtsforschung während der NS-Okkupation 1941-1945
Anti Selart und Carl Philip Laantee Reintamm (Tartu)
Tschechische Perspektive auf die deutsche Ostmitteleuropa-Forschung
Ota Konrad (Prag)
Feindbilder, Lebensrealitäten und Stag-Dos: Die britische Ostmitteleuropaforschung im Wandel
Klaus Richter (Birmingham)
11:00-12:30 Panel V: Einordnung
Moderation: Maren Röger
Verspätete Entwicklung, wechselnde Grenzen: Litauen zwischen multikulturellem Großreich und nationalem Kleinstaat
Rimvydas Petrauskas (Vilnius)
Ironie des Erfolgs. Ostmitteleuropaforschung aus der polnischen Perspektive
Maciej Górny (Warschau)
Heimat, Verflechtung, Gewalt: Die vielschichtigen Bedeutungen der Geschichte Ostmitteleuropas für die jüdische Geschichte
Katrin Steffen (Sussex)
13:30-14:30 Roundtable: Wohin geht die Ostmitteleuropaforschung?
Moderation: Peter Haslinger
mit Martin Aust (Bonn), Maren Röger (Leipzig), Monika Wingender (Gießen)
16:00
Festakt des Herder-Instituts anlässlich des 75-jährigen Bestehens
18:00
Hans-Lemberg-Vorlesung mit Catherine Horel (Paris)