Kulturpolitik in Ostmittel- und Südosteuropa (1945 bis 2015)
Herder-Forschungsrat
Herder-Institut Marburg
Marburg
27.10.2016 - 28.10.2016
Ansprechpartner
Jahrestagung des Herder-Forschungsrates in Kooperation mit dem Herder-Institut Marburg, 27.-28.10.2016
Kulturpolitik in Ostmittel- und Südosteuropa spielte zunächst im Kontext der kommunistischen Ideologie eine zentrale Rolle, bei der es nicht nur um Prozesse der Gleichschaltung von Institutionen ging, sondern auch um Einflussnahmen auf die Akteure. Kulturpolitik bedeutete immer auch Normierung von Produktion, Distribution und Rezeption von Kunst und Kultur; in den Anfangsjahren unter dem Primat des ‚sozialistischen Realismus‘, in der Spätphase zumindest unter dem Primat einer parteilich ideologisierten, wenngleich in den einzelnen Ländern unterschiedlichen Einflussnahme. Aus der Perspektive der Künstler stellte sich die Kulturpolitik als eine z. T. existentielle Herausforderung dar, Reaktionsmöglichkeiten bewegten sich im Spannungsfeld zwischen Affirmation und Subversion bzw. Dissidenz.
Mit dem Jahr 1989 war auch in der Kulturpolitik ein fundamentaler Wandel markiert, der die staatliche Kulturpolitik, die Institutionen und Akteure mit den Herausforderungen der Transformation konfrontierte. Bezogen auf das Kultursystem zeigte und zeigt sich u.a. eine Verschiebung von einer Angebots- zu einer Nachfrageorientierung, eine Beschränkung staatlicher Aufgaben, eine Übertragung ökonomischer Maximen / Kalküle auf nicht-ökonomische, auch hochkulturelle Bereiche, ein verändertes Verbraucher- bzw. Kulturnutzerverhalten sowie eine Erosion hochkultureller Formen durch Auflösung der Grenzen zwischen Hoch- und Popularkultur auf künstlerischer, institutioneller und diskursiver Ebene.
Auf der Tagung sollen sowohl kulturpolitische Entwicklungen und Konzepte in Ostmittel- und Südosteuropa zwischen staatlicher Dominanz und marktwirtschaftlichen Zumutungen als auch die kulturpolitischen Interdependenzen zwischen den einzelnen Staaten und in internationaler Hinsicht untersucht und diskutiert werden. Dabei ist immer auch die Rolle der Medien zu reflektieren. Auf der Ebene des öffentlichen Handelns (Cultural Policy) geht es um die für den Untersuchungszeitraum relevanten Inhalte und Resultate von Kulturpolitik (z. B. kulturpolitische Entscheidungsprozesse, Bewertungskriterien, Wirkungen). Auf der Ebene der ungesteuerten Prozesse (Cultural Politics) geht es um die relevanten kulturpolitischen Prozesse (z. B. Interessenkonkurrenzen, Akteurshandeln, Orientierungen, Verhaltensmuster, Einflussmechanismen). Auf der institutionellen Ebene (Cultural Polity) schließlich sollen die Kontexte in den Blick genommen werden (z. B. Normensystem, rechtliche Strukturen, Aufbau staatlicher und außerstaatlicher Institutionen, Rolle der Auswärtigen Kulturpolitik).
Die Tagung wendet sich an Geistes- und Sozialwissenschaftler mit Fokus auf Ostmittel- und Südosteuropa.
Konzeption: Prof. Dr. Reinhard Johler, Prof. Dr. Steffen Höhne
Programm
Donnerstag, 27.10.2016
14.00-14.30
Steffen Höhne (Weimar-Jena)
Einführende Bemerkungen zur Kulturpolitik in den ostmitteleuropäischen Ländern nach 1945
14.30-15.00
Peter Stachel (Wien)
Die Mozart-Republik. Das Mozartjahr 1956 als Akt österreichischer Identitätspolitik
15.00-15.30
Alexander Golovlev (Florenz)
Grenzfall: Kulturpolitik der UdSSR in Österreich während der alliierten Besatzung mit besonderer Berücksichtigung der Musik
Kaffeepause
16.00-16.30
Sebastian Schlegel (Weimar)
Kulturpolitische Bezugsrahmen und Handlungsmuster sowjetischer Besatzungsoffiziere in Deutschland, 1945-1949
16.30-17.00
Natalia Donig (Konstanz)
Sowjetische auswärtige Kulturpolitik der Tauwetter-Periode – Institutionen, Interessen, Konkurrenzen
17.00-17.30
Brigitta Triebel (Leipzig)
Kultur als Argument? Die weltweite Kulturaußenpolitik der Tschechoslowakei und Jugoslawiens seit den 1970er Jahren
18.30 Mitgliederversammlung des Herder -Forschungsrates
Freitag, 28.10.2016
9.30-10.00
Jürgen Joachimsthaler (Marburg)
Der neue Regionalismus
10.00-10.30
Thomas Höpel (Leipzig)
Kulturpolitik in der Transformation der 1990er Jahre: Ostdeutschland und Polen im Vergleich
Kaffeepause
11.00-11.30
Olga Kolokitha (Wien)
Greek cultural policy and politics: the contemporary situation and its implications on governance of culture in the country
11.30-12.00
Margarita Kuzova (Graz)
Die Digitalisierung der Massenkunst vom Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Kulturpolitik – gegenwärtige bulgarische Tendenzen
Mittagspause
13.00-13.30
Anke Pfeifer (Berlin)
Ist Protochronismus wieder aktuell? Zu kulturpolitischen Kontroversen in Rumänien gestern und heute
13.30-14.00
Anton Ljavickij (Minsk)
Zur Motivation der Kulturpolitik Lukaschenkas in Belarus
Kaffeepause
14.30-15.00
Rüdiger Ritter (Bremerhaven)
Jazz im Radio – Mittel der Kulturpolitik im Kalten Krieg zwischen Ost und West
15.00-15.30
Augusta Dimou (Leipzig)
Kulturpolitik und Urheberrecht Die rechtliche Normierung von Autorenrechten im kommunistischen Ostmittel- und Südosteuropa (1945-1989)
15.30-16.00
Abschlussdiskussion
Call for Papers